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In den ersten Jahren meiner Laufbahn als Farbberaterin hatte ich eine Freundin, die prämierte internationale und nationale Make Up Meisterin war. Sie hatte damals u.a. für eine mittelgroße Kosmetikfirma Trainings in Visagistik angeboten. Diese Firma hatte mich an Land gezogen, um die Kosmetikerinnen zusätzlich in Farbberatung auszubilden.

Damals hatte ich bereits Texte über die psychologische Wirkung der Farben verfasst, die den Rahmen dessen, was allgemein über das Thema bekannt war, sprengte. Meine Freundin war begeistert von meinen Artikeln und bot sich an, die Texte an ein großes Beauty-Magazin unter ihrem eigenen Namen zu veröffentlichen. Das war eine großartige Gelegenheit für mich, da mir nichts lieber war, als dass jeder Mensch von diesem, so wichtigen, Thema der Farbenkräfte erfahren sollte. Und mit ihrem Namen, so dachte ich, ließe sich der Stoff leicht an die Frau bringen. Also willigte ich erfreut ein und die Farben-Artikel wurden veröffentlicht.

Die Resonanz auf meine Artikel
Keiner – weder sie noch das Magazin und erst recht nicht ich selbst – hatten erwartet, dass die Resonanz auf die Artikel dermaßen positiv war. Das Beste daran: Es war nicht der Name dieser, in Fachkreisen bekannten, Frau, der die Leserinnen anzog sondern sie interessierten sich tatsächlich für die Artikel an sich. Nach den ersten beiden Versuchen, habe ich dann über alle weiteren Regenbogenfarben geschrieben – und dann unter meinem eigenen Namen. Diese Artikel bildeten das Fundament für mein späteres erstes Buch bei Hugendubel: Das Arbeitsbuch zur richtigen Farbentscheidung, was im Jahr 1994 veröffentlicht wurde.

Zur Veröffentlichung sah ich dann beim Durchblättern in einer Verlags-Broschüre für Buchhändler ein Foto meines Buches mit einem Autorenfoto. Ihr glaubt nicht, was meine erste Reaktion war: Ich habe ganz laut N E I N geschrien. Keine Freude, kein Stolz. Nein, es war, als hätte ich einen Geist erblickt. Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken (!).

Was war das? Was in mir hat sich da durchgesetzt? Es war wie Scham für etwas, was ich gewagt habe und wozu ich glaubte, nicht das geringste Recht zu haben. Einzig meine Mutter war stolz auf ihre Tochter und ihr Werk. Mein Vater war kurz bevor ich mit dem Schreiben anfing, gestorben. Aber ich wusste ohnehin, dass ich das Buch niemals zu seinen Lebzeiten geschrieben hätte. Von ihm aus durfte ich nicht einmal das Gymnasium besuchen, weil ich „ein Arbeiterkind war und nicht glauben solle, dass ich etwas Besseres" werden könnte.

Mein Abitur habe ich als Erwachsene am Abendgymnasium absolviert und durfte mit dieser Schule erst beginnen, als ich mit 21 volljährig war. Damals brauchte man bis dahin noch die Einwilligung des Vaters (nicht der Mutter!). Abgeschlossen habe ich mit der Durchschnittsnote 1,3 als Zweitbeste der Schule und träume noch heute, mehr als 40 Jahre später, dass ich das Abitur nicht schaffe. Es steckt so tief in mir drin, es nicht zu schaffen, zurückzustecken, aufzugeben, es nicht zu wagen, zu schwach zu sein, zu dumm, unfähig zu sein. Die ganze Palette an Selbstdemontage wird sofort auf den Bildschirm gerufen.

Wovor habe ich Angst?
Dabei habe ich viel geschafft und gelte als sehr mutig. Ich spüre es aber nicht als Mut, nicht, dass es etwas zu überwinden gab, was mir Mut abverlangt. Ich mache die Dinge einfach. Widerstand spüre ich kaum. Andererseits habe ich reichlich Ängste, aber keine davor, etwas ins Leben zu rufen. Angst habe ich vor der Dunkelheit, vor Höhen und vor tiefem Wasser. Ganz deutlich existieren zwei Ebenen in mir: Die eine, die nach außen hin als stark und mutig, selbstsicher, erfinderisch und „bossy" erscheint und die andere, die immer wieder die verletzliche und versagende Person in sich sieht.

In diesem Geflecht lebe ich mein Leben. Werde selten in den Arm genommen und getröstet oder „aufgebaut" und werde viel zu oft auf ein Podest gestellt und angehimmelt. Mich dort wieder herunter zu stürzen, ist dann leicht und es kostet mich sehr viel Kraft, unbeschadet daraus hervor zu gehen. Aber es gelingt. Oft hilft mir dabei das Schreiben, es einfach nur absichtslos mitzuteilen. So, wie in diesem Blog. Dadurch, dass ich es aufschreibe, will ich auch sagen: Schaut her, meine Stärke hat auch eine Gegenseite, die ebenfalls immer da ist.